Diskussionen um Geldtheorien gehören mit zu den ältesten in der Ökonomiklehre. Ludwig von Mises gilt als einer der bekannesten Vertreter der Wiener Schule der Ökonomik und hat bahnbrechende Erkenntnisse in der Geldlehre erzielt, die auch auf Werke anderer Vertreter der Wiener Ökonomik Einfluss genommen haben. Mit dem Regressionstheorem hat von Mises auch auf den Ursprung von Geld hingewiesen. Da Bitcoin als ein Geld für viele Menschen weltweit zählt, gibt es u. a. die Diskussion darüber - und da möchte ich für Aufklärung sorgen - ob Bitcoin mit der Geldtheorie von Mises - dem Regressionstheorem - vereinbar sei. Die Praxeologie soll dabei eine signifikante Rolle spielen.
(Der Begriff »Praxeologie« steht für die Lehre des menschlichen Handelns. Die Praxeologie nimmt ihren Ausgangspunkt aus dem nicht widerlegbaren, apodiktischen wahren Satz: »Der Mensch handelt«. Aus ihm lassen sich im Zuge der logischen Deduktion weitere wahre Sätze und Kategorien ableiten. [thorsten-polleit.com, S. 2])
Inhaltsverzeichnis
- Was ist Geld nach von Mises
- Das Regressionstheorem
- Fiatgeld nicht gleich vereinbar mit Regressionstheorem
- Die Praxeologie wird oftmals missverstanden in Bezug auf das Regressionstheorem
- Fazit: Ist das Regressionstheorem mit Bitcoin nun vereinbar?
Teil 1: Was ist Geld nach von Mises
Oft hört man in Bitcoiner-Kreisen: “Geld sei gespeicherte Arbeitsleistung mit dem man ein Anrecht an die Gesellschaft hat.” Das hieße de facto, Geld wäre ein um die Zeitdimension in die Zukunft verschobener Anspruch auf das Volkseinkommen bzw. an die Gesellschaft. Aber Geld ist beides nicht, zumindest wenn man die von Mises'sche Geldtheorie betrachtet, was dieser Artikel im Verlauf verdeutlichen soll.
Geld ist ein Gut wie jedes andere, aber es ist weder Konsumgut noch Produktionsgut. Es ist ein Tauschgut (oder auch Tauschmittel), genauer gesagt: Ludwig von Mises definiert Geld als das marktfähigste, liquideste allgemeine Tauschmittel. Dass Geld das Problem der doppelten Koinzidenz löst, erspare ich mir in diesem Artikel. Auch Geld fällt unter das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens: Je mehr Einheiten man davon verfügt, desto geringer (abnehmend) wird der Grenznutzen mit jeder weiteren Einheit. Neben der Tauschmittelfunktion hat Geld weitere Unterfunktionen: Insbesondere erklärt sich die Wertspeicherfunktion über das Regressionstheorem, was im späteren näher erläutert wird.
Warum ist Geld aber kein Anrecht?
Es muss darauf eingegangen werden, warum Geld überhaupt Kaufkraft hat. Menschen fragen Geld nach, um mit der Unsicherheit in der Zukunft fertig zu werden. Menschen ziehen heutige Güter, späteren vor, da sie in Unsicherheit handeln. Würden sie in weiser Voraussicht wissen, was in der Zukunft geschieht, würden sie kein Geld nachfragen, da keine Unsicherheiten existieren würden. Das ist a priori und damit nicht verneinbar. Geld wird also gehalten aufgrund von Unsicherheiten in der Gegenwart als auch in der Zukunft.
Ist ein Geldkandidat allgemein akzeptiert, dann wird es zu einem Geld. Die Betrachtung aus "allgemein akzeptiert" geht meiner Meinung über die Praxeologie hinaus, da es Bewertungsurteile sind, zu definieren, wann und vor allem wo Geld allgemein akzeptiert ist. Praxeologisch bestimmbar ist jedoch: Wenn man ein Geld als das liquideste Gut betrachtet, ist die Geldigkeit eines Gutes denknotwendig definiert.
Das heißt, wenn Menschen nach Unsicherheiten handeln, wählen sie aus Gründen ein (gutes) Geld, was sich spontan ergibt und zu einem allgemein akzeptierten, zu dem liquidesten Tauschmittel wird.
Was Geld nicht kann, ist die (praxeologische) Kategorie der Zukunft mit ihren beinhalteten Unsicherheiten zu nehmen, denn der Mensch handelt aufgrund von Unsicherheiten (a priori). Geld ermöglicht es jedoch für das Individuum am effektivsten zu handeln, um die Unzufriedenheit zu mindern oder zu beseitigen. Da allerdings keine Garantie exisitiert, dass dies immer der Fall ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Individuum ein Anrecht in der Zukunft hat, da die Ungewissheit auch bei Geld eine prägende Rolle spielt. Erwähnenswert ist auch Antony P. Muellers Artikelreihe zu Carl Mengers «Grundsätze der Volkswirtschaftslehre», wo Geld in seiner Funktion unmissverständlich beschrieben wird:
Die tatsächliche Funktion des Geldes liegt in seiner Rolle als Tauschvermittler und darf nicht mit dem Begriff des „gesetzlichen Zahlungsmittels“ gleichgesetzt oder als „Wertaufbewahrungsmittel“ missverstanden werden. Auch die Thesaurierung ist keine dem Geld eigene Funktion. Die Sparfunktion ist dem Gelde nicht innewohnend, sie ist vielmehr von der Tauschmittelfunktion des Geldes abgeleitet. Bei fortschreitender Geldwirtschaft wird die Thesaurierung zudem immer mehr von der Kapitalisierung verdrängt.
Mit diesen Hinweisen macht Menger auf Aspekte des Geldes aufmerksam, die als Irrtümer über die Funktion des Geldes weit verbreitet sind. Nicht wenige glauben, sie würden durch Geldsparen eine Wertaufbewahrung vornehmen. Nicht zuletzt von der Politik gefördert, kursiert der Irrglaube, dass man z.B. durch Ansparen von Rentenleistungen eine Thesaurierung vornehmen würde. Richtig verstanden kann solches Sparen das Geld aber überhaupt nicht leisten. Es ist vielmehr so, dass sich der „Wert“ des Geldes letzten Endes nur dadurch ergibt, wieviel und welche Güter man mit Geld als Tauschvermittler bekommen kann. Wenn das angesparte Geld seine Vermittlerfunktion ganz oder teilweise einbüßt, weil es nicht mehr allgemein akzeptiert wird, zeigt sich, dass keine Thesaurierung stattgefunden hat. Nur anhand seiner Funktion als Tauschvermittler erweist sich der „Wert“ des Geldes.
Marktakteure fragen Geld nach, um etwas nachzufragen, was Kaufkraft hat. Wie bei jedem anderen Gut, wird mittels Angebot und Nachfrage die Kaufkraft des Geldes bestimmt. Geldanbieter ist jemand, der z. B. einen Apfel gegen Geld kaufen will. Geldnachfrager ist jemand, der den Apfel gegen Geld zum Verkauf stellt. Das heißt, dass die Nachfrage eines Gutes, wie den Apfel, dem Angebot von Geld und das Güterangebot der Geldnachfrage entspricht.
Das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage von Geld definiert die Kaufkraft von Geld als den markträumenden Preis von Geld. Das Problem ist allerdings, dass man voraussetzt, dass Geld Kaufkraft hat, weil es nachgefragt wird und gleichzeitig diese Kaufkraft via Angebot und Nachfrage gebildet wird. Diesen Zirkelschluss löst von Mises mit dem sogenannten Regressionstheorem auf.
Teil 2: Das Regressionstheorem
“Das Regressionstheorem von Ludwig von Mises, das er in ‘Die Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel’ definierte, ist ein zentraler Punkt, um die monetäre Bedeutung von Gold zu verstehen. Es besagt, dass die Erwartung an die zukünftige Kaufkraft des Geldes maßgeblich von dem Wissen über die heutige Kaufkraft des Geldes abhängt.“ (ingoldwetrust)
Thorsten Polleit schreibt zum Theorem:
“Es ist eben dieser Zeitpunkt, in dem ein Sachgut von der nicht-monetären Nutzung in die monetäre Verwendung überführt wird, an dem die Kaufkraft des Geldes ihren Ursprung hat.” (T. Polleit, misesde.org)
Von Mises konnte das Problem des Zirkelschlusses vermeiden, indem er die Zeitdimension in das Argument einführte, indem er erklärt, dass der subjektive Tauschwert des Geldes (zum Halten) heute auf der Grundlage der objektiven Tauschwerte von gestern erfolgt.
Dies ist der wesentliche Punkt des Regressionstheorems von Mises, denn d. h., die Nachfrage nach Geld wird auf den letzten Tag des Tauschhandels zurückgedrängt, an dem Waren nur noch im direkten Austausch gehandelt werden und an dem das Theorem am zeitlichen Element (über die Zeitdimension) endet. Das entkräftet den Zirkelschluss.
Von Mises, Zitat: "Aus der Tatsache, daß der objektive Tauschwert des Geldes stets einer Anknüpfung an ein auf dem Markte zwischen dem Geld und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bereits bestehendes Austauschverhältnis bedarf, da das wirtschaftende Individuum anders nicht in der Lage wäre, ein Werturteil über das Geld abzugeben, folgt weiter, daß als Geld nur ein Objekt in Verwendung genommen werden kann, das in dem Augenblick des Beginnes seiner Tauschmittelfunktion bereits auf Grund anderweitiger Verwendung objektiven Tauschwert besessen hat. Darin liegt eine Zurückweisung jener Theorien, welche die Entstehung des Geldes auf ein Übereinkommen zurückführen, in dem sich die Menschen dazu verstanden hätten, an sich wertlosen Dingen durch eine Fiktion imaginären Wert beizulegen, und eine Bestätigung der Mengerschen Hypothese vom Ursprung des Geldgebrauches." (Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, S. 87, 1924, zweite, überarbeite Version)
Es ist wichtig zu wissen, dass das, worauf sich von Mises in seinem Werk "Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel" bezieht, die Entstehung eines neuen Geldes ist, das heißt, nur aus einem reinen Tauschzustand heraus, in dem es keine bestehenden Geldpreise gibt. Das Regressionstheorem erklärt ebenso nur die Entstehung eines neuen Geldes, wo vorher keines existierte!
Von Mises erklärt, so weiter, wie eine Tauschwirtschaft - in der alle wirtschaftlichen Berechnungen ordinal erfolgen - zu einer Geldwirtschaft wird, in der die Berechnungen kardinal erfolgen - vom subjektiven Wert des Individuums zu einem objektiven Richtwert. Sie sollte nicht so interpretiert werden, dass alle zukünftigen Tauschmittel (oder Geld) in dieser Wirtschaft aus einer vorherigen nicht-monetären Verwendung hervorgehen müssen, sobald ein Berechnungsrahmen in Form von Geldpreisen etabliert ist.
Die Theorie ist also keine Erklärung für den Ursprung allen Geldes oder aller Tauschmittel.
Fiatgeld nicht gleich vereinbar mit Regressionstheorem
Fiatgeldwährungen sind historisch gesehen - darunter auch z. B. „Kreditgeld" - aufgrund der Einlösbarkeit von Waren gegen Geld entstanden. Wesentlicher Punkt ist, dass in der Öffentlichkeit ein Vertrauen geschaffen wurde, dass das neue Medium für den Tausch an Akzeptanz gewinnt. Es wird dann zu einem Geld. Doch wie von Mises klarstellt, kann eine Papierwährung ihre Geldfunktion auch dann noch erfüllen, wenn sie nicht mehr einlösbar ist, sofern die Öffentlichkeit weiterhin Vertrauen in ihre Akzeptanz hat. Fiatgeld ist ein vom Staat aufoktroyiertes Geld, was durch Gesetze verankerte Ansprüche eines jeden legitimieren soll.
Wichtig ist aber:
Erstens: Das Regressionstheorem sagt nichts über die Frage aus, warum sich nachfolgende Währungen etablieren.
Zweitens: Es sagt nichts darüber aus, warum sie weiterhin akzeptiert werden und
Drittens: Es sagt nichts darüber aus warum sie bestehende Währungen verdrängen.
Und viertens: Erst recht beschreibt das Theorem nichts über Kurse und wo eine alte gegen eine neue Währung getauscht wird.
Die Praxeologie wird oftmals missverstanden in Bezug auf das Regressionstheorem
Die Akzeptanz einer neuen Währung ist keine praxeologische Frage. Die Rücktauschbarkeit mag den Marktteilnehmern das Vertrauen geben, dass die neue Währung von anderen akzeptiert wird, sodass sie sie für sich selbst nachfragen werden und Gesetze über gesetzliche Zahlungsmittel geben diesem Glauben zusätzlichen Auftrieb, aber diese Vorstellungen haben nichts mit den praxeologischen Phänomenen zu tun, die die Entstehung von Geld bestimmen. Ebenso wenig lässt sich aus der Logik des Handelns ableiten, dass die Fiatgeldwährung, wenn dieses Vertrauen erst einmal hergestellt ist, auch nach dem Wegfall der Rücktauschbarkeit weiterhin als Geld funktionieren kann.
Historisch gesehen hat es diese Abläufe durchaus gegeben, aber da sie vom Vertrauen der Bevölkerung abhängen, sind sie lediglich psychologische Phänomene. Was die Praxeologie zu sagen hat und was für das Regressionstheorem von Bedeutung ist, ist, dass es logischerweise unmöglich ist, dass neues Geld entsteht, wenn nicht eine Art von bestehender Preisstruktur vorhanden ist. Ohne vorherige Preise, die in irgendeiner Form vorhanden sind, können die Akteure nicht mit dem neuen Geld rechnen.
Wenn also keine Preisverhältnisse zwischen den verschiedenen Waren und Dienstleistungen monetär festgelegt wurden, können sie nur durch einen Prozess des direkten Austauschs in der Tauschwirtschaft erzielt werden.
Das ist der springende Punkt des Regressionstheorems.
Es besteht jedoch keine praxeologische Notwendigkeit, dass das neue Geld rechtlich gegen das alte eintauschbar ist oder zu einem festen Kurs mit ihm gehandelt wird. Damit ist es ein evidenter Schluss zu sagen, es gibt kein Anrecht zukünftiger Tauschverhältnisse mittels Geld. Die Praxeologie hat nichts über die Abfolge der Ereignisse während des Übergangs zu sagen. Sie verbietet lediglich die Einführung eines neuen Geldes ohne einen kalkulatorischen Rahmen.
Aus praxeologischer Sicht wird deutlich, dass es zwei verschiedene Umstände gibt, unter denen ein neues Tauschmittel beginnen kann, als Rechenmittel und Recheneinheit zu funktionieren:
Erstens: Ein neues Medium entsteht aus einer reinen Tauschwirtschaft, in diesem Fall muss es einen vorherigen direkten Gebrauchswert haben oder
Zweitens: Es entsteht, wenn eine bestehende Geld-Preis-Struktur existiert. In diesem Fall muss das neue Medium - ob materiell oder immateriell - keinen Wert als unmittelbar genutzte Ware haben, nicht notwendigerweise durch irgendetwas "gedeckt" oder gegen irgendetwas einlösbar sein, und es muss nicht zu einem festen Kurs festgelegt werden.
All dies verstößt nicht gegen das Regressionstheorem oder macht es ungültig.
Historisch gesehen ist es wahr, dass neuen Medien oft einige dieser Merkmale eingebaut hatten, um die notwendige psychologische Reaktion für seine Akzeptanz zu erzeugen, aber sie sind aus der Sicht des ökonomischen Kalküls keine praxeologische Notwendigkeit. Solange die Preise in Form des alten Geldes existieren, ist dies alles, was erforderlich ist, um das Regressionstheorem zu erfüllen.
Fazit: Ist das Regressionstheorem mit Bitcoin nun vereinbar?
Es ist evident, dass Bitcoin als ein Geld auf der Bildfläche erschienen ist, als es bereits ein Geldsystem gab (insbesondere der Denominator mit dem größten Grenznutzen, der US-Dollar). Daher ist die Frage, ob der Bitcoin einen Wert hatte, bevor er zum Tauschmittel wurde, in Hinblick auf das Regressionstheorem irrelevant.
Wenn es ein Gut war, das einen nicht-monetären Wert hatte (bevor es einen monetären Wert hatte), dann ist es für die Theorie ebenfalls ohne Bedeutung, ob dieses Gut immateriell ist oder nicht. Da es eine bestehende Preisstruktur gab, hat das Regressionstheorem nichts mehr zu sagen.
Und es obliegt nicht einmal den Verfechtern des Regressionstheorems sich zu erklären, wie der Preis von Bitcoin in Bezug auf die bestehende Währung in Ermangelung eines gesetzlich vorgeschriebenen Umrechnungsprozesses zustande gekommen ist, wenn das Theorem nichts zu diesem Thema zu sagen hat!
Meinungen, die versuchen zu begründen, ob Bitcoin gegen das Regressionstheorem verstößt, indem sie fragen, ob Bitcoin direkt bewertet wurde oder nicht, irren! Bitcoin muss keinen direkten Gebrauchswert haben, um ein Tauschmittel zu sein, da er nicht aus einer reinen Tauschwirtschaft hervorgegangen ist! Dieses Tauschmittel verstößt daher nicht gegen das Theorem. Natürlich hat es einen solchen Wert, denn es wurde direkt gegen andere Waren, einschließlich des US Dollars, getauscht. Dies sorgte für die anfängliche Liquidität, die ihm half, ein Tauschmittel zu werden.
Quellen:
- Bitcoin, the Regression Theorem, and the Emergence of a New Medium of Exchange (2018)
- Ludwig von Mises: Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel (1912)
- https://www.misesde.org/2012/11/die-wahre-lehre-vom-geld-vor-100-jahren-erschien-ludwig-von-mises’-„theorie-des-geldes-und-der-umlaufsmittel“/
- https://ingoldwetrust.report/das-regressionstheorem-erklaert-wieso-gold-geld-ist/
- https://www.misesde.org/2021/09/carl-menger-geld-teil-6/
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