Die politische Theologie der Kryptografie

Veröffentlicht auf CryptoSovereignity am 11.06.2019
Originalautor: Erik Cason
Übersetzt von: Sinautoshi am 11.02.2023 - 776016

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Alle Rechte liegen bei dem Autor des Originals.

„Alle wesentlichen Begriffe der modernen Staatstheorie sind säkularisierte theologische Begriffe."

-Carl Schmitt, Politische Theologie

Kryptografie ist insofern eine Religion, als der Etatismus auch eine Religion ist.

Beide stützen sich auf den Glauben und die Überzeugung ihrer jeweiligen Systeme, um den Wert ihrer Gesetze auf sinnvolle Weise zu verwirklichen. In den heutigen Rechtssystemen wird der Wert des Rechts durch Menschen verwirklicht, die mit der Autorität des Rechts ausgestattet sind und die Fähigkeit haben, das Recht mit direkter gesetzlicher Gewalt durchzusetzen - im Guten wie im Schlechten. In Bitcoin werden die Regeln allein durch den Code durchgesetzt - es gibt keinen subjektiven Charakter und keine Gewalt, die angewendet werden muss.

Was das Funktionieren dieser beiden Systeme ermöglicht, ist der „Eid", mit dem die Gesetze des jeweiligen Systems geweiht werden. In Rechtssystemen ist der Mensch durch seinen Eid und seine Verpflichtung an das Gesetz gebunden; in Bitcoin ist es der private Schlüssel, der den Code an das Ergebnis bindet.

Jedes System muss die Regeln seines Systems entsprechend durchsetzen, um den Wert seines Rechtssystems zu verwirklichen, oder das System muss die Möglichkeit haben, Ausnahmen von den Regeln zu machen; in diesem Fall beweist jedes zeitgenössische Recht seinen „situativen" Charakter. Schmitt sagt: „Damit das Rechtssystem einen Sinn hat, muss eine normale Situation existieren, und derjenige, der Souverän ist, entscheidet definitiv, ob diese normale Situation tatsächlich existiert."

Heutige Rechtssysteme bestehen aus den Eiden von Männern, die ihre Eide so leicht brechen können, wie sie ausgesprochen werden. Die Autorität aller Menschen hat das gleiche Gewicht und die gleiche Macht, da sie von Natur aus zeitlich begrenzt ist; und so muss es auch für die Gesetze dieser Menschen sein. Die Menschen haben im Laufe der Jahrtausende bewiesen, dass sie ihr Wort vor dem Gesetz nicht halten können, und das zeigt die grundlegende Korruption eines jeden Rechtssystems, das durch die Eide von Menschen und die Durchsetzung mit Gewalt geschaffen wurde. Anhand der unendlichen „Ausnahmen", die Menschen mit Macht für sich selbst in Anspruch nehmen können, und der Tatsache, dass jeder mit dem Etikett „Feind" vom Gesetz ausgeschlossen werden kann, sehen wir den Abgrund, an dem jedes Gesetz scheitern wird, bevor es verwirklicht ist.

Der Eid von Maschinen unterscheiden sich grundlegend und deutlich von denen der Menschen. Maschinen können nicht lügen. Sie sind semantisch dazu nicht in der Lage: Es ist unmöglich.

Aufgrund der Natur und des Wesens ihrer Sprache/ihres Codes und der Art und Weise, wie sie sich ausdrücken müssen, steht für die Maschinen ihre gesamte Existenz als Kommunikationsform auf dem Spiel und ist mit dem Code bzw. der Sprache selbst verwoben.

Aus dem Grund, dass „der Eid als Sakrament der Macht fungieren kann, insofern er zuallererst das Sakrament der Sprache ist", wird er zum messianischen Werkzeug der ökonomischen Ontologie innerhalb einer digitalen globalisierten kapitalistischen Gesellschaft. Es gibt keine Methodik der souveränen Ausnahme innerhalb des Codes; der Eid der Maschinen gegenüber ihren semantischen Verpflichtungen müssen erfüllt werden, weil sie vollständig mit der Kommunikation selbst verwoben sind. Es gibt keine Möglichkeit, innerhalb des Codes eine Ausnahme zu machen, weil das Gesetz des Codes nicht interpretiert, sondern kompiliert wird. Der Code funktioniert nach einer binären Methodik der Wahrheit als Sein und nichts anderem. Das schafft eine völlig neue Strategie des „Rechts", denn es besteht keine Notwendigkeit mehr, irgendetwas durchzusetzen, und auch nicht die Gewalt, die damit einhergehen muss.

Es liegt in der Natur des Codes, dass es keinen Platz für irgendwelche Ausnahmen gibt.

Der Grund, warum ein so schönes und mächtiges System wie Bitcoin existieren kann, ist die Art und Weise, wie der private Schlüssel in kryptografischen Systemen als grundlegendes und unantastbares Heiligtum der Macht funktioniert. Der private Schlüssel verkörpert eine Form der Macht, die ihre Privatsphäre ohne Ausnahmen jenseits der Mathematik, die sie erzeugt, sicherstellt, beweist und schützt. Das liegt nicht daran, dass wir nicht gewillt sind, solche Systeme zu verletzen, sondern an der totalen Herrschaft der Mathematik, der solche Systeme unterworfen sind.

Kein Mensch und keine Maschine hat die Macht, die Mathematik, die die Kryptografie belebt, über ihre Grenzen hinaus zu bewegen. Die ontologische Form der „Sprache" von Kryptografiesystemen sind direkte wahrheitsgetreue Aussagen, die die Kryptografie als Lexus verwenden. Jede einzelne Bitcoin-Transaktion ist eine wahrheitsgemäße Aussage über die Produktion und das gesellschaftliche Eigentum an den Münzen. Der einzige Weg, wie Münzen ausgetauscht werden können, ist die Offenlegung des privaten Schlüssels und nichts anderes.

Aus der Unantastbarkeit der Mathematik, die der Kryptografie zugrunde liegt, ist eine neue Form der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Macht entstanden: die Krypto-Souveränität. Indem sie die gewaltsame physische Gewalt des staatlichen Rechtsapparats und anderer barbarischer Gegner im digitalen Raum nutzlos macht, schafft Kryptografie eine Art von Wert, der sich der Kontrolle aller Staaten vollständig entzieht. Bitcoin ist die Schaffung einer neuen Art von sozio-politischem, digital-ökonomischem Gemeinwesen, das die schallende und messianische Antwort auf die Frage ist: quis custodiet ipsos custodes? („Wer wird die Wächter selbst bewachen?“)

Die Ausnahme des Staates

Um Carl Schmitts Diktum vom Anfang dieses Aufsatzes aufzugreifen, können wir es in der gleichen Weise umkehren, wie Walter Benjamin es in seiner Kritik der Gewalt tut, um eine andere Perspektive zu eröffnen:

"So wie in allen Bereichen Gott dem Mythos gegenübersteht, so steht der mythischen Gewalt das Göttliche gegenüber. Und letztere bildet in jeder Hinsicht ihren Gegenpol. Wenn mythische Gewalt Gesetze macht, ist göttliche Gewalt gesetzeszerstörend; wenn erstere Grenzen setzt, zerstört letztere sie grenzenlos; wenn mythische Gewalt zugleich Schuld und Vergeltung bringt, sühnt göttliche Macht nur; wenn erstere droht, schlägt letztere zu; wenn erstere blutig ist, ist letztere tödlich, ohne Blut zu vergießen."

Walter Benjamin, Kritik der Gewalt

Es gibt einen ganz anderen Weg zu einer wirklichen Form des Gemeinwesens und des Rechts durch kryptografische Systeme zu sehen, der die Kräfte der Gewalt aus den Systemen verbannt. Die Macht der Gewalt, das Gesetz durchzusetzen, gegen die Macht der Wahrheit, das Gesetz zu entblößen, einzutauschen, ist die revolutionärste Tat, die je vollbracht wurde. Denn ohne die Macht der Gewalt, das System des Reichtums zu beeinflussen, wird eine radikale neue Form wirtschaftlicher Macht in die Welt gesetzt, mit dem schallenden Ruf:

„Fiat justitia, ne pereat mundus."

„Es soll Gerechtigkeit geschehen, und gehe die Welt darüber zugrunde."

Durch die totale und radikale Unfähigkeit, Gewalt als Durchsetzungsmechanismus von Kryptografiesystemen einzusetzen, indem die Privatsphäre der Menschen direkt durch kryptografische Protokolle geschützt wird, verbannt Bitcoin den Staatsapparat und die Gewalt vollständig aus den Geldsystem. Bitcoin entzieht sich dem Gesetz, dem Staat und all seinen verschiedenen Formen der Gewalt, die jedes Gesetz vollenden müssen, indem er solche Rechtssysteme von Anfang an blind macht - und alle Akteure innerhalb des Systems anonymisiert und homogenisiert, um die Identität aller von Anfang an zu schützen. Auf diese Weise kann eine wirklich gemeinsame Form des Reichtums geschaffen werden, bei der alle Akteure innerhalb des Systems gleichberechtigt sind und niemand eine besondere Macht über das System hat - alle Teilnehmer sind wirklich gleich.

Das Machtwissen darüber, was Kryptografie wirklich ist, entschlüsselt eine immanente und uralte Form der Macht, die Magie, Religion und Recht wieder zu einer einzigen Sprache vereint. Kryptografie entschlüsselt eine uralte Form der politischen Theologie, die die Macht der Wahrheit nutzt, um sicherzustellen, dass die „Gesetze" des Systems nicht gebrochen werden können. Wie ich bereits erwähnt habe, kann so jeder das Hobbes'sche Diktum der souveränen Macht von „Auctoritas, non veritas facit legem" (Autorität, nicht Wahrheit schafft Legitimität) umkehren

in

„Veritas, non auctoritas facit legem." (Die Wahrheit, nicht die Autorität schafft Legitimität)

Durch die absolute Herrlichkeit der Macht der Wahrheit und den totalen Anspruch der Mathematik, die eine solche Form der Macht vollendet, beweist sie sich ständig mit ihrer Unzerbrechlichkeit und dem absoluten Wert, den sie hat, um den eigenen Reichtum vor jedem Gesetz, jeder Gewalt oder anderem zu schützen. Durch die Tugend der Wahrheit und unsere Fähigkeit, den Wert eines wirtschaftlichen Tauschsystems zu erkennen, das der Staat weder erobern noch gewaltsam zerstören kann, verstehen wir die wahre Macht und politische Theologie eines solchen Systems.

Indem wir unser Leben, unser Vermögen und unsere heilige Ehre dieser neuen Form des Gemeinwohls überlassen, die jenseits der zeitlichen Macht staatlicher Gesetze oder der Regierung liegt, uns zu zerstören oder zu bestehlen, schaffen wir gemeinsam eine neue Form von Wert und Wohlstand, die das Potenzial hat, alles zu verändern.

Die Tradition der Unterdrückten lehrt uns, dass der „Ausnahmezustand", in dem wir leben, die Regel ist. Unser Verständnis davon, was Kryptografie ist, warum sie erfunden wurde und wie sie uns durch das von ihr vermittelte Wissen schützt, lässt uns zu einem Geschichtsbild gelangen, das dem entspricht. Es ist nun klar, dass die Aufgabe, die vor uns liegt, die Einführung eines echten Ausnahmezustands ist; und unsere Position im Kampf gegen den technologischen Faschismus wird sich dadurch verbessern.

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