Bitcoin ist Zeit und Zeit ist Geld
In einem der vorigen Artikel haben wir uns mit den Funktionen und Eigenschaften von Geld befasst. Eine, vielleicht sogar die wichtigste, Funktion von wertvollem und hartem Geld ist Knappheit. Wir haben gesehen, dass Bitcoin die einzige Form von Geld ist, die diese Charakteristik zu 100% erfüllt.
Knappheit bedeutet, dass das Gut, das als Geld benutzt wird, begrenzt ist und nicht ohne weiteres vermehrt werden kann.
Bitcoin erfüllt diesen Anspruch, denn
Bitcoin ist auf 21.000.000 begrenzt. Die harte Obergrenze von Bitcoin ist von zentraler Bedeutung für sein Wertversprechen. Alle 2.099.999.997.690.000 Sats werden irgendwann existieren (oder existieren schon - je nach Betrachtungsweise) und darüber hinaus werden keine weiteren Sats produziert.
Die einzige andere Ressource, die wir Menschen haben, die uns jedem zur Verfügung steht und zu 100% begrenzt ist, ist unsere Zeit. Ausnahmslos jeder Mensch hat ab dem Moment seiner Geburt ein Zeitfenster in diesem Leben und dieses Zeitfenster - dieses Leben - ist begrenzt. Es hat noch niemand geschafft diese Regel zu brechen, bzw. zu cheaten.
Die Lebensdauer jedes Menschen fällt unterschiedlich aus und ist sogar recht ungerecht verteilt. Es gibt Menschen, die schon sehr, sehr früh nach ihrer Geburt sterben, und es gibt Menschen, die sehr, sehr alt werden. Auf diesem Spektrum von 0 bis ca. 120 Jahren befinden wir Menschen uns alle. Wir können aktiv Einfluss auf unsere Lebenserwartung nehmen, sowohl verlängernde als auch verkürzende Maßnahmen ergreifen, doch eins bleibt bisher immer garantiert: Unsere Zeit ist endlich. Und damit ist sie unser knappstes Gut.
Kommen wir nun zurück zum Geld. Wie wir schon gesehen haben, muss Geld drei Funktionen erfüllen:
Es muss als Tausch- oder Zahlungsmittel funktionieren, es sollte ein Wertaufbewahrungsmittel sein und als Recheneinheit dienen.
Während man schnell dazu übergeht, bei Geld an die Funktionen von Zahlungsmittel und Recheneinheit zu denken, da diese im täglichen Leben tausendfach vorkommen, ist es besonders die Funktion des Wertaufbewahrungsmittels, die Geld einen besonderen Stellenwert in unserem Leben als Ganzes verleiht. Und da ist sie, die Überschneidung von Geld und unserem Leben, also unserer begrenzten Zeit, auf die ich seit 400 Wörtern hinarbeite 😰
Zeit ist Geld. Jeder kennt diese Redewendung. Im wahrsten Sinne des Wortes bedeutet sie, dass man Zeit in Geld verwandeln kann und dass diejenigen, die Zeit haben auch Geld haben. Man spricht hier irrtümlicherweise auch von "Zeit sparen". Als ob die Möglichkeit bestehe, nicht verbrauchte Zeit zu einem späteren Zeitpunkt abzurufen. Dass dies außerhalb von Momos Welt nicht möglich ist, sollte jedem bewusst sein. Was meint man also damit, wenn man sagt man spart Zeit, oder Zeit ist Geld? Die Funktion des Wertaufbewahrungsmittels von Geld bedeutet erstmal, dass das verwendete Geld seinen Wert durch die Zeit aufrecht erhalten kann. Im allerbesten Falle ist ein Geld von heute auch morgen immer noch ein Geld wert.
Betrachten wir nun unser eigenes, hart begrenztes Zeitfenster, also jenes, das uns gegeben wurde, um auf diesem blauen, lustigen Ball zu verweilen, so wollen wir diese Zeit möglichst würdevoll und möglichst angenehm verbringen. Da das Leben allerdings Geld kostet, sind wir in der Regel gezwungen, solches zu verdienen. Es soll ein paar glückliche Menschen geben, denen dieser Ballast von Geburt an genommen wird, allerdings verhält es sich für das Gros der Menschen so, dass sie für ihren Unterhalt puckeln müssen. Im Idealfall sieht das so aus, dass man bei einem erwartbaren Durchschnittsalter von 80 Jahren, die ersten 20 Jahre damit verbringt zu erlernen, wie das Leben funktioniert und wie man Geld verdient, um dann 40 Jahre lang genau das zu tun und wenn alles gut läuft hat man noch 20 Jahre, um seinen wohlverdienten Ruhestand zu geniessen. Also einfach gesprochen verbringt man 50% seines Lebens damit, 100% seines Zeitfensters zu finanzieren (die ersten 20 Jahre des Lernens finanziert man zwar seinen Nachkommen, hat aber im Gegenzug dafür diese auch fremdfinanziert bekommen). Das bedeutet wiederum, dass man in den 40 Jahren Berufsleben doppelt so viel Geld verdienen muss, wie das eigens gewählte Leben kostet.
Um auf die Redewendung "Zeit ist Geld" zurückzukommen, bedeutet dies schlicht, dass jeder arbeitende (und damit Geld verdienende) Mensch seine eigene knapp bemessene Zeit in Form von Arbeit zur Verfügung stellt, um Geld zu verdienen. Dies tun wir, da wir Zeit eben nicht sparen können. Wir versuchen sie in einen anderen Aggregatzustand umzuwandeln (Zeit ➡️ Geld), um uns zu einem späteren Zeitpunkt mit diesem Geld unsere Zeit zurückzukaufen. Dies funktioniert zwar nicht im direkten Sinne, also dass wir uns zusätzliche Zeit kaufen, jedoch können wir das Decken laufender Kosten vorfinanzieren und somit, hoffentlich, im Ruhestand leben, ohne unsere laufenden Kosten durch Arbeit decken zu müssen. Wenn alles gut läuft, schaffen wir es sogar unseren gewählten Lebensstandard aufrechtzuerhalten und führen somit ein für unsere subjektiv gesteckten Messpunkte würdevolles und angenehmes Leben.
So die Theorie. Denn in der Praxis funktioniert dies nur, wenn es uns möglich ist, unsere Zeit in ein Geld umzuwandeln, das es uns erlaubt, eine Umwandlung von Geld zurück zur Zeit zu einem späteren Zeitpunkt so vorzunehmen, dass wir möglichst wenig verlieren. Dies ist die einzige Aufgabe eines Wertaufbewahrungmittels: Der Erhalt des jetzigen Wertes einer Sache über einen Zeitraum hinweg.
Praktisch gesprochen besteht dieser Vorgang aus zwei Komponenten. Zuerst müssen wir Geld verdienen, dann müssen wir es sparen. Bestenfalls schaffen wir so viel Geld zu verdienen, dass unsere Einnahmen unsere Ausgaben übersteigen, damit wir überhaupt in der Lage sind, überschüssiges Geld zu sparen. Dann müssen wir ein Wertaufbewahrungsmittel finden, dass es uns erlaubt, diesen Überschuss so zu konservieren, dass wir ihn zu einem späteren Zeitpunkt abrufen können. Über die erste Komponente lässt sich schon genug schreiben, über den gewählten Lebensstandard und die damit einhergehenden Kosten, die (Un-) Gerechtigkeit und Chancenungleichheit beim Erlangen einer Erwerbstätigkeit, etc. blah.
Die zweite Komponente allerdings ist für unsere Betrachtung die viel entscheidendere. Denn gehen wir davon aus, dass wir zu den glücklichen Wenigen gehören, die es schaffen eine niedrige Zeitpräferenz zu erlangen und Überschüsse in der Gewinn- und Verlustrechnung des Lebens zu erzielen, so bleibt immernoch die grosse Frage offen, wie wir es schaffen sollen, diese Überschüsse zu konservieren, sodass wir sie dann später nutzen können. Und zwar so, dass sie möglichst wenig an Wert verloren haben, oder sogar an Wert zugenommen haben.
Genau das ist das Geschäftsmodell von vielen Unternehmen, Institutionen und Schlangenölverkäufern weltweit, die damit werben, unser hart verdientes Geld so anzulegen, dass es später unseren Ruhestand finanziert. Sie wollen uns in ihre undurchsichtigen Finanzierungsmodelle locken, um damit als die eigentlichen Profiteure hervorzugehen.
Ob private oder staatliche Altersvorsorge, Riesterrente, Bausparvertrag, 401k, IRA, fondsgebundene Tralalarente oder Aktion Mensch-Los mit Sofort-Rente, alle Anbieter spielen mit der Sorge der Menschen, dass ihr heute gespartes Geld morgen wohl nicht mehr zur Finanzierung des erträumten Ruhestands reicht. Und warum ist das so? Wegen des effektiven Kaufkraftverlustes unseres aktuellen Geldes. Viel Tinte wurde vergossen, viele Tasten misshandelt, um dieses Thema zu beschreiben, das heute aktueller denn je ist. Denn wenn Geld in einer Fiat-Währung für die zukünftige Verwendung gespeichert wird, verliert es aufgrund der Währungsinflation im Laufe der Zeit an Kaufkraft. Das bedeutet effektiv, dass die investierte Zeit nicht nachhaltig widergespiegelt wird, oder drastischer ausgedrückt: wir haben unsere Zeit verschwendet. Sparen funktioniert also nicht mehr, wie es uns damals im Kindesalter beigebracht wurde.
Bitcoin fixes this, yay, Bitcoin-Floskel. Aber warum ist das so? Während Fiat-Währungen einem reellen Kaufkraftverlust ausgesetzt sind, der durch Fiskal- und Geldpolitik bedingt ist, ist der Wert von Bitcoin immer gleich. Ein bitcoin = ein bitcoin. Jetzt könnte man natürlich entgegensetzen, dass ein Knopf = ein Knopf. Allerdings lassen sich Knöpfe unendlich nachproduzieren und in Umlauf bringen. Doch wie wir wissen, hat Bitcoin eine harte Obergrenze von 21.000.000 bitcoins. Dies macht Bitcoin wahrscheinlich zum überprüfbar knappsten Gut auf unserer Erde. Selbst unser Zeitfenster könnte mit ein paar Entwicklungssprüngen in der DNA und Molekularforschung vielleicht irgendwann deutlich ausgeweitet, wenn nicht sogar für immer geöffnet werden.
Jedoch ist Bitcoins Code unveränderlich: Die 21 Millionen Obergrenze ist in Stein (Code) gemeißelt und damit eignet sich Bitcoin hervorragend als langfristiger Speicher für Zeit. Allein der Umrechnungskurs von Bitcoin in eine lokale, aktuelle oder für den Moment nützliche Währung hängt davon ab, wie viel Zeit man in einen anderen Wert umwandeln kann. Doch auch dies ist ein Feature und kein Bug. Denn jeder Arbeitstag, den ich heute in Euro oder US Dollar "spare" (besser: umwandle), ist komplett verloren, wenn diese Fiat-Währung zu einem Zeitpunkt x nicht mehr existiert. Dann ist es doch von Vorteil, wenn man seine Zeit in einen neutralen Aggregatzustand umwandeln kann, der sich in Zukunft beliebig in die benötigte aktuell brauchbare Recheneinheit / Währung transformieren lässt.
Andersherum lässt sich argumentieren, dass das Währungspaar nicht BTC/USD oder BTC/EUR ist, sondern direkt ZEIT/BTC. Man ermittelt also den Wert von Zeit direkt in einer Bitcoin-Ausdrucksweise, die in Zukunft sogar festgesetzt werden könnte und damit die ultimative Währungseinheit darstellen würde.
Bitcoin verstehen
Bitcoin ist nicht nur Zeit im Sinne von umgewandelter Zeit in Geldmenge, sondern als reeller Zeitaufwand, um Bitcoin zu verstehen und Bitcoin für sich selbst begreifbar zu machen. Auch diese Definition von Zeit ist wiedermals für jeden Menschen subjektiv und dem eigenen Empfinden nach zu bemessen. Was jedoch nicht von der Hand zu weisen ist, ist dass es einen gewissen Mindestaufwand von Zeit, ob mit der Lektüre verschiedener Texte, dem Austausch mit Gleichgesinnten, dem tatsächlichen Ausprobieren und Erlernen der mechanischen Abläufe, etc. bedarf, um Bitcoin zu begreifen. Niemand wird jemals Bitcoin in seiner Gänze, seiner Tragweite oder seiner Wirkung vollständig verstehen, allerdings bin ich fest davon überzeugt, dass es diesen einen Punkt gibt, an dem bei jedem an Bitcoin interessierten Menschen ein gewisser Aha!-Moment eintritt, an dem viele Puzzleteile mit einem Mal ein Bild ergeben.
Dieser Moment tritt bei manchen sehr früh, bei manchen eher später ein, jedoch eint alle Bitcoiner und Bitcoin-verstehende Menschen dieser eine Moment, den es nur zu erreichen möglich ist, wenn ein gewisses Maß von Zeit investiert wurde. Dieser Moment lässt sich nicht erklären und muss von jedem Menschen selbst erlebt werden, um ihn zu verstehen. Damit kann er nicht erkauft oder erschlichen werden, sondern lässt sich nur in Form von aufgebrachter Zeit erreichen. Damit trägt Bitcoin eine weitere Zeitkomponente in sich, die weder im Whitepaper, noch im Code, noch in später veröffentlichten Texten Satoshis festgehalten oder gar definiert wurde. Jedoch wage ich zu behaupten, dass es niemanden gibt, der/die Bitcoin begriffen hat und von sich sagt, diesen Moment der Klarheit, der Offenbarung, nicht erlebt zu haben.
Bitcoin hat sein eigenes Verständnis von Zeit
Zeit ist ein sehr tiefgründiges und subjektives Konstrukt. Es gibt die Uhrzeit, also eine Zahl, die uns anzeigt, wie weit der jeweilige Tag vorangeschritten ist. Der Kalender misst auch Uhrzeit, nur eben nicht in Form von Stunden, Minuten und Sekunden, sondern in Monaten, Wochen und Tagen. Und dann gibt es noch Jahre. Wohingegen Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Wochen und Monate begrenzt sind - es gibt z.B. nur 12 Monate, dann fangen wir wieder von vorne an zu zählen, ist die Anzahl von Jahren keinem Zyklus unterworfen. Es wird immer weiter gezählt. Natürlich gibt es Dekaden, Jahrhunderte, Jahrtausende, etc., doch sind diese nur Recheneinheiten, die das Zählen von Jahren vereinfachen. In unserem System gibt es ein Jahr null und seit dem zählen wir vorwärts (wenn man davon absieht, dass sich jemand vor 400 Jahren das Jahr null ausgedacht hat und seit dem alles zurückgerechnet wurde, aber wir wollen mal nicht kleinlich sein) und alles was vor diesem Jahr null liegt, wird rückwärts gezählt. Dem Weihnachtshasen sei Dank 🙏
Genauso willkürlich, wie diese Zeiterfassung festgelegt wurde, verhält es sich bei Bitcoin auch. Denn Bitcoins innerer Maschinenraum ist eigentlich nichts anderes als eine eigenwillige und nutzungsbezogene Uhr. Die Bitcoin-Blockchain ist eigentlich eine Timechain, ein sogenannter Timestamp-Server. Wie schon mehrmals erwähnt, findet man das Wort 'Blockchain' in Satoshis Whitepaper nicht ein einziges Mal. Dafür findet man bereits im vierten Satz den Begriff 'Timestamp'.
Da Zeit ein recht flexibler Begriff ist und die Zeitmessung vom jeweiligen Nutzen oder dem Erfüllen eines Ziels abhängig ist, ist es besonders schwierig, ein allgemeingültiges System zu wählen. Zeit kann in vielen Formen dargestellt werden, von "Jetzt bis kein Bock mehr", oder "Anno Pief und Dazumal" gibt es etliche Redewendungen, die zeigen, dass Zeit gefühlt wird und nicht gemessen wird. Doch wenn man ein global funktionierendes dezentrales Netzwerk errichten möchte, dass darauf basiert seine eigene Wahrheit zu speichern, ohne auf Dritte angewiesen zu sein und alle Transaktionen so zu speichern, dass sie nachvollzogen und validiert werden können, bedarf es eines Zeitmessungsmechanismus. Und dieser muss absolut fehlerfrei sein und darf keine Latenz zulassen, da sonst Raum für Schummeleien geboten wäre. Was eignet sich da also besser, als ein eigener, eigens für diesen besonderen Zweck erdachter Mechanismus zum Festhalten von Geschehnissen? Diese Geschehnisse werden vom System mit einem Zeitstempel versehen, der unmissverständlich macht, welche Reihenfolge von Geschehnissen die eine Wahrheit ausmacht, der alle Netzwerkteilnehmer vertrauen.
Gigi hat sich dem Thema in seinem neuen Buch deutlich detaillierter gewidmet und ich empfehle jedem/r die Lektüre dieses Kapitels:
Fazit
Bitcoin ist nicht nur Zeit. Bitcoin misst die Zeit in seiner eigenen Weise. Bitcoin verlangt Zeit von uns, damit wir es begreifen, aber Bitcoin hilft uns, den Wert unserer Zeit einzufangen. Damit ist Bitcoin sowohl das Metronom, das seinen eigenen Takt angibt, strenger Lehrer, der Aufwand fordert, um Exzellenz zu erreichen, als auch Tresor oder Akku, der aufgebrachter Zeit einen Wert beimisst, und diesen Wert zu speichern vermag. Tick, tock, next Block!
Sven Steiger
Sven is author of Genexy.org an independent #Bitcoin publication launched in 2022 // Block 736100 Nostr: npub102mehs854zw704xr6s3krzwesmy7r8fa5vxar6yeu3zpmyu94kvs2nasul
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